Wenn wir über die Briefwahl schreiben, werfen wir gerne einen Blick auf andere Länder und schauen uns die dortigen Wahlmöglichkeiten an. Ein wichtiges Land darf dabei nicht fehlen: Estland. Während in vielen Ländern Europas die Briefwahl immer beliebter wird, setzen die Menschen in Estland auf ein E-Voting.
Was ist das E-Voting?
Bereits seit dem Jahr 2005 haben Menschen in Estland die Möglichkeit, ihre Stimme per E-Voting über das Internet abzugeben. Dafür laden sie eine Software herunter, in der sie sich anschließend mit ihrer estnischen ID-Karte oder ihrer mobilen ID anmelden.
In Estland ist es für die Bevölkerung nicht ungewöhnlich, sensible Daten online einzusehen. So können auch Gesundheitsdaten oder Angaben zur Steuer einfach online abgefragt werden. Und auch das Wählen ist in Estland online möglich.
In der speziell entwickelten Software können Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben. Bis zum Tag der Wahl haben sie dabei die Möglichkeit, ihre Stimme noch zu ändern. So soll die Online-Wahl möglichst zu denselben Bedingungen stattfinden wie im Wahllokal.
Besonders starke Sicherheitsvorkehrungen
Für die estnische Bevölkerung steht beim E-Voting nicht nur die Bequemlichkeit im Vordergrund. Die Wählerinnen und Wähler scheinen großes Vertrauen in die Regierung sowie die Sicherheit der Wahlsoftware zu haben. Einige Wähler geben sogar an, das E-Voting für besser zu halten, denn dabei könne sich niemand verzählen.
Estland ist bekannt dafür, viel Geld in die Cybersicherheit zu investieren. Da viele Prozesse und Daten digital abrufbar sind, arbeitet das Land kontinuierlich an starken Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz sensibler Daten. Das gilt natürlich auch für das E-Voting.
Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2023 haben 51,1 % aller Wähler ihre Stimme über das E-Voting abgegeben. Somit wurden erstmalig mehr Stimmen online abgegeben als in Schriftform.
Um Missbrauch zu verhindern, werden alle Aktivitäten der Software genauestens erfasst. So kann die Historie jedes einzelnen Wählers eingesehen und illegale Zugriffe erkannt werden. Bisher sind keine Vorfälle von Wahlbetrug über das E-Voting in Estland bekannt.
Derzeit soll die estnische Regierung daran arbeiten, eine App für das E-Voting zu entwickeln. Diese soll für Smartphones verfügbar sein und vor allem die jüngere Bevölkerung zum Wählen animieren.
E-Voting auch in Deutschland denkbar?
Derzeit sieht es nicht so aus, als könnte das Online-Voting auch in Deutschland eingeführt werden. Denn hierzulande scheint das Vertrauen in digitale Prozesse deutlich geringer zu sein als in Estland.
Die Entwicklung der notwendigen Software für ein E-Voting würde voraussichtlich Jahre in Anspruch nehmen. Die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen müssten von Experten entwickelt und überprüft werden. Und dennoch könnte nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass die deutsche Bevölkerung – die neuen Technologien eher skeptisch gegenüberzustehen scheint – ein solches Angebot überhaupt in Anspruch nehmen würde.
Deshalb dürfte die Briefwahl nach wie vor die bessere Wahl sein. Sie ist bereits seit vielen Jahren ein fester Teil von deutschen Wahlen und genießt das Vertrauen der Bevölkerung.