Seit 2019 ist es Inhaftierten in Frankreich erlaubt, per Briefwahl an Kommunal- und Parlamentswahlen teilzunehmen. Die französische Regierung scheint dieses Gesetz nun nach Protesten mehrerer Lokalpolitiker abschaffen zu wollen. Wir fassen zusammen.
Senat stimmt für Aufhebung des Wahlrechts für Menschen im Gefängnis
Vor wenigen Tagen hat die französische Regierung erste Schritte in die Wege geleitet, um das Briefwahlrecht für Menschen im Gefängnis wieder abzuschaffen. Der Senat soll einem entsprechenden Gesetzesentwurf zugestimmt haben.
Im Jahr 2019 wurde die Briefwahl in französischen Gefängnissen eingeführt. Zuvor war es ihnen fast unmöglich, an Wahlen teilzunehmen – die Wahlbeteiligung in Gefängnissen lag bei lediglich 2 %. Durch die Einführung der Briefwahl ist sie auf 22 % gestiegen. Dies schien allerdings zu viel für einige lokale Politiker zu sein.
Bürgermeister besorgt wegen Stimmabgabe der Häftlinge
Denn in den vergangenen Jahren wurde immer wieder Kritik an der Briefwahl in Gefängnissen laut. Die Gefängnisbevölkerung in Frankreich ist hoch: Lokale Politiker beklagen, dass in einigen Gemeinden weit über 1.000 Inhaftierte wählen würden.
Ein Beispiel dafür ist die Gemeinde Melun in Seine-et-Marne. In diesem Kreis befinden sich insgesamt drei Gefängnisse mit mehr als 1.600 Häftlingen. Knapp die Hälfte der Inhaftierten habe sich zur Wahl registriert.
Schlussendlich sollen 4 % aller Wählerstimmen in der Gemeinde aus dem Gefängnis abgegeben worden sein. In fünf weiteren Gemeinden mit großer Gefängnisbevölkerung soll die Situation ähnlich sein.
Lokale Politiker bemängeln, dass der prozentuale Anteil der Gefängniswähler zu hoch sei und die Briefwahl für Inhaftierte deshalb wieder abgeschafft werden müsse. Diese Forderung scheint in der Politik Gehör gefunden zu haben.
Von der Wiedereingliederung zum Rückschritt?
Als Frankreich im Jahr 2019 die Briefwahl für Häftlinge einführte, beschrieben Menschenrechtsorganisationen dies als einen wichtigen Schritt. Denn Gefängnisse haben auch die Aufgabe, Inhaftierte wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Ihnen die Möglichkeit zu geben, sich an einer Wahl zu beteiligen, schien in diesem Kontext ein großer Fortschritt zu sein.
Dass die Politik das Wahlrecht für Inhaftierte nun wieder einschränken wird, dürfte für viele Häftlinge ein enormer Rückschritt sein. Denn abgesehen von der Briefwahl ist es für Menschen im Gefängnis praktisch unmöglich, an einer Wahl teilzunehmen. Vor der Einführung der Briefwahl war eine Sondererlaubnis nötig, die nur in den wenigsten Fällen erteilt worden sein soll.
Welche Regelungen gelten in anderen europäischen Ländern?
Das Wahlrecht von Inhaftierten ist in vielen Ländern ein diskutiertes Thema. Anders als in Frankreich scheinen die Gesetze in Deutschland jedoch Bestand zu haben. Bereits seit dem Jahr 1957 dürften Häftlinge in Deutschland an Wahlen teilnehmen. Ihre Inhaftierung hat keinen Einfluss auf ihr Wahlrecht – sie können unkompliziert per Brief wählen.
In Österreich gibt es, ähnlich wie in Frankreich, ebenfalls Kontroversen rund um das Wahlrecht von Menschen im Gefängnis. Denn in Österreich verlieren Menschen ihr Wahlrecht, wenn sie zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind. Dagegen hatte ein Mann jedoch geklagt und schlussendlich durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht bekommen.
In den USA gilt: Wer im Gefängnis sitzt, aber noch nicht verurteilt wurde, darf wählen. Dafür muss im Gefängnis jedoch eine Wahlstation eingerichtet werden, was wiederum nicht verpflichtend ist. Bei der Wahl des US-Bundespräsidenten im November 2024 sollen knapp 500.000 Menschen im Gefängnis wahlberechtigt gewesen sein.
Nach einer Verurteilung gelten dann die Regelungen des jeweiligen Bundesstaats. In Maine und Vermont wird das Wahlrecht durch eine Verurteilung nicht eingeschränkt. In anderen Bundesstaaten wird es nach der Entlassung wiederhergestellt – in einigen auch erst nach Ablauf der Bewährungszeit. Anders ist die rechtliche Lage in Florida, Iowa, Kentucky und Virginia: Dort muss das Wahlrecht nach einer Gefängnisstrafe neu beantragt werden.
Während das Wahlrecht von Inhaftierten in Europa nur wenig eingeschränkt wird, gelten in vielen Ländern drastischere Regeln. In einigen Ländern haben Inhaftierte kein Wahlrecht – sie verlieren es durch ihre Inhaftierung und haben keine Möglichkeit, zu wählen. Das ist beispielsweise in Argentinien, Brasilien oder der Türkei der Fall.